Tausche 110qm Altbau gegen 8qm auf vier Rädern

Minimalistisch leben

Den eigenen Träumen zu folgen, erfordert manchmal drastische Entscheidungen. In diesem sehr persönlichen Update erzähle ich meine Beweggründe, in Hamburg alle Zelte abzubrechen, fast alles zu verkaufen und ins Wohnmobil zu ziehen …

Puh, jetzt ist es weg! Das Sinnbild meines früheren Lebens als Interieur-Designerin ist nicht mehr da. Dieses Designersofa ist soviel mehr für mich als einfach nur ein gemütlicher Ort zum Sitzen. Es ist der Ausdruck dessen, was mir einmal wichtig war: teure Möbel, großzügige Räume, eine repräsentative Altbauwohnung in einem Trendstadtteil nahe der Elbe. Es fühlt sich komisch an, es loszulassen. Aber manche Entscheidungen im Leben verlangen drastische Handlungen, weit außerhalb der Komfortzone.

Minimalismus für Fortgeschrittene

Die letzten Wochen waren emotional aufreibend und turbulent. Mein Mann und ich haben eine sehr große und wichtige Entscheidung getroffen: Wir werden in Hamburg die Zelte abbrechen und alles auflösen. Wir tauschen 110qm Altbau, gegen 8qm auf vier Rädern – und ziehen in unser Wohnmobil. Ich bin aufgeregt und spüre eine sehr große Veränderungswelle auf mich zurollen.

Der Weg zu dieser Entscheidung war lang und wir haben es uns nicht leicht gemacht, so ein Juwel aufzugeben. Doch ich weiß: Manchmal braucht es einen harten Cut und das Schließen eines Kapitels, bevor sich neue Türen öffnen können. Also kommt eine Untervermietung für uns nicht in Frage – wir machen einen Reset. Außerdem möchte ich nicht darauf warten, bis sich die perfekte Alternative vor meinen Füßen ausbreitet. Manchmal ist es wichtig, proaktiv zu springen – hinein in die Ungewissheit, ohne Sicherheitsnetz und doppelten Boden. Daher ist die Wohnung gekündigt und wir verkaufen so ziemlich alles, was wir besitzen. Dies ist Minimalismus für ganz weit Fortgeschrittene.

Ein Tiger im Käfig

Schon lange schlägt in meiner Brust ein Nomadenherz. Ich liebe es zu reisen und neue Orte und Menschen kennenzulernen, habe bereits die halbe Welt bereist. In den letzten Jahren habe ich zunehmend die Sehnsucht verspürt, aufzubrechen und in die weite Welt hinaus zu ziehen. Doch wenn man keine 20 mehr ist und keine Lust hat, von der Hand in den Mund zu leben, gibt man natürlich nicht so leichtfertig alles auf. Außerdem wollte ich nicht flüchten und darauf hoffen, dass das Gras woanders grüner ist. Auf den letzten langen Trips nach Sardinien habe ich ganz bewusst hineingespürt, wie es ist, abgeschieden in der Natur zu leben, ganz ohne Ablenkung von außen. Immer wenn wir dann wieder nach Hamburg – und in unsere Wohnung – zurückgekehrt sind, habe ich mich gefühlt wie ein Tiger im Käfig auf dem falschen Planeten.

Die Entscheidung alles loszulassen, hat sich während dieses ersten Corona-Jahres gefestigt. In einer der größten Krisen seit 100 Jahren jede Sicherheit aufzugeben, mag für den Ein oder Anderen verstörend wirken. Ja, es gibt durchaus Menschen, die uns für bescheuert erklären. Die meisten unserer Freunde und Bekannte sagen jedoch: „Das passt zu euch“ und freuen sich mit uns. Für mich ist es weder tollkühn, noch mutig: Es ist die ganz klar gelebte Konsequenz eines ohnehin schon sehr minimalistischen Lebensstils – und der nächste logische Schritt.

Langsam ist das neue Schnell

Als ich noch als Interieur-Designerin arbeitete, war es wichtig für mich, mein Selbstwertgefühl durch teure Möbel aufzupimpen: Ich habe mich stark über das Außen definiert und ich habe viel wert darauf gelegt, was andere von mir denken. Heute lebe ich genau andersherum: von innen nach außen. Mein Selbstwertgefühl kommt aus mir heraus, denn ich weiß genau wer ich bin. Daher brauche ich die Meinungen anderer nicht, um mich gut zu fühlen.

Mein gesamter Besitz wird ab Mai in Günni – ein Oldtimer-Wohnmobil von 1991 – passen. Für mich als Freigeist, der schönste Gedanke überhaupt. Zusammen mit Mann und Hund werden wir ganz langsam Europa bereisen und dabei lange an Orten weilen, uns auf den Flow des Lebens einlassen und möglichst wenig planen. Wir wollen noch mehr entschleunigen, uns mit der Natur verbinden und arbeiten von unterwegs.

Ich werde dich in den nächsten Monaten immer mal wieder mitnehmen, auf diese sehr persönliche, innere und äußere Abenteuerreise – und diese große Veränderung aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Denn auch wenn ich mich prinzipiell gut von Dingen trennen kann, ist die Auflösung eines Lebensabschnitts etwas ganz anderes und triggert auch bei mir längst vergessene Bilder aus der Vergangenheit. Es ist ein Abschied. Vor allem aber ist es ein Neuanfang.

Die Vorstufe zu dieser Entscheidung kannst du in der Artikelserie „Das Sardinien-Experiment“ nachlesen. Oder du erfährst hier, was Minimalismus mit Mut zu tun hat, warum es wichtig ist, groß zu träumen und diesen Träumen auch zu folgen oder warum es sich lohnt, langsamer durchs Leben zu gehen.

Foto: Sincerely-media

 

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