Integrieren statt Ignorieren: keine Angst vor der Angst

Angst besiegen Schriftzug an Wand

Die eigene Angst zu besiegen wünschen sich viele und kämpfen gegen sie an. Doch es gibt einen sanfteren – und weiblicheren Weg – der Angst zu begegnen …

Sich ausgiebig seinen negativen Gefühlen hinzugeben, ist nicht gerade angesagt. Und auch Mitmenschen sind schnell von der eigenen Gefühlspalette überfordert: Wenn einem zum Beispiel wochenlang zum Heulen zu Mute ist. Oder Ängste da sind. Die Werbung und unsere Erziehung tun ihr übriges und rufen schnell Schuldgefühle hervor, wenn wir mal nicht in das Happiness-Raster hineinpassen.

Dabei würden wir das doch so gerne und tun alles dafür, um glücklich zu sein: Wir optimieren unsere Körper und rennen zum Sport. Wir versuchen auf unsere Ernährung zu achten. Wir planen Auszeiten und versuchen, Stress zu reduzieren. Wir treffen uns mit Freunden, pimpen unseren Wohnraum und reisen um die Welt. Wir versuchen keine Fehler zu machen oder anzuecken. Und wir wollen unbedingt gemocht werden und dazugehören. So sind wir den lieben, langen Tag mit unserer Selbstoptimierung beschäftigt.

Potentialentfaltung par excellence

Doch bei all der Optimiererei vergessen wir häufig Eines: sie ist eng an unsere inneren Widerstände geknüpft und eine Weg-von-Haltung – weg vom Unglücklich sein, weg von der Angst, weg von der Trauer, weg vom nicht idealen Körperbild, weg, weg, weg.

Irgendwann fühlen wir uns getrieben und merken: All das Wegrennen macht keinen Sinn. Und glücklicher macht es auch nicht. Ganz im Gegenteil. Es treibt uns auch immer weiter von unseren Gefühlen weg. Doch Gefühle sind der Ausdruck unseres Herzens. Unterdrücken wir sie, fühlen wir uns innerlich taub und von unserer Intuition abgeschnitten.

Um diesen Kreislauf zu durchbrechen und etwas sanfter mit uns selbst umzugehen, dürfen wir damit beginnen, eine Hin-zu-Haltung annehmen. Um uns dann liebevoll den inneren Widerständen und unterdrückten Gefühlen zu nähern. Der Traurigkeit. Der Angst. Der Hilflosigkeit. Der Scham. Der Verletzlichkeit oder Schwäche.

Das ist vielleicht im ersten Moment die unbequemere oder ungewohntere Variante, doch es ist die beste Methode, die uns wirklich in der Tiefe glücklich macht. Denn sie führt uns ganz nah an unseren Kern – und damit uns selbst – heran. Und an diesem Ort zählen keine Kalorien oder Stunden auf dem Lachkonto.

Schau mir in die Augen, kleines

Stell dir vor, es gäbe nur zwei Gefühle: Liebe und Angst. Dann wäre doch all das, was nicht Liebe ist – also zum Beispiel, Wut, Trauer oder Ungerechtigkeit – in Wahrheit Angst. Auf einer Waage betrachtet, wäre sie wahrscheinlich der weitaus größere und schwerere Teil. Das ist übrigens gar nicht weit hergeholt. Denn hinter diesen vermeintlich negativen Gefühlen versteckt sich meist auch eine Angst: zum Beispiel die Angst nicht geliebt zu werden. Oder die Angst etwas falsch zu machen oder Angst vor Abweisung.

Wir Menschen sind facettenreich und vielschichtig. Unterdrücken wir diesen inneren Anteil, fühlen wir uns nicht vollständig. Irgendetwas fehlt. Häufig fangen wir dann an, dieses Etwas im Außen zu suchen. Doch dort werden wir es niemals finden. Schön ist, hinter der Angst wartet eine unglaublich reichhaltige Glücksgefühlpalette. Manchmal können wir uns diese nur schwer vorstellen – aber glaube mir:

Die Angst ist ein Geschenk.
Vielleicht eines, auf den zweiten Blick.
Mit hässlichem Geschenkpapier.
Doch es lohnt sich immer, sie auspacken. 

Angst besiegen durch Integrieren

Daher führt der Weg mitten durch die Welle hindurch, nicht außen herum. Denn es geht nicht darum, die Angst zu besiegen. Sondern darum, sie zu integrieren und als einen wertvollen Anteil von dir zu erkennen. Und dies kannst du folgendermaßen tun:

/ Höre auf zu analysieren

Es geht so schnell: Die Stimme in unserem Kopf hat ratz fatz Antworten parat. Warum zum Beispiel das Verhalten unseres Gegenübers völlig daneben ist. Diese Stimme in deinem Kopf ist nicht daran interessiert, dass es dir besser geht. Denn sie mag keine Veränderungen. Und diese Stimme ist ebenfalls ein Weg-von. Denn die Analyse im Kopf macht vor allem eins: Sie bringt dich weg von deinem Gefühl, das sich gerade zart in deinem Inneren regt und lenkt dich von dir selbst ab. Sei also wachsam, worauf du deine Aufmerksamkeit lenkst: nach innen oder nach außen.

/ Gebe der Angst Raum

All deine Gefühle – die Guten wie die Schlechten – kommen an die Oberfläche deiner Wahrnehmung, um von dir gefühlt zu werden. Erst dann bewegen sie sich. Im Wort Emotion steckt ja auch schon das Wort motion, also Bewegung. Ein Unterdrücken der Gefühle führt daher dazu, dass sie sich innerlich verhärten. Das spiegelt sich irgendwann auch in einer verhärteten Ausstrahlung wieder. Machs mal anders: Habe den Mut, deine Gefühle zu erforschen und ihnen mit Neugierde zu begegnen. Auch wenn es ungewohnt ist, lasse sie zu und drücke sie nicht weg. Sei wie ein außenstehender Beobachter auf einer Abenteuerreise, der sich über jedes neue Gefühl wie ein kleines Kind freut.

/ Sehe sie als Chance

Taucht die Angst in deinem Leben auf, kannst du sicher sein: hier wartet persönliches Wachstum. Denn die Angst kommt nur in den Momenten zu dir, wenn du dich gefährlich nahe an den Rand deiner Komfortzone wagst. Halte aus, nicht genau zu wissen, was sich dahinter befindet oder was du jetzt tun musst. Das ist vielleicht neu für dich, doch du brauchst gar nichts zu tun. Sei einfach. Genieße es, die Kontrolle abzugeben und vertraue darauf, dass die Angst dafür da ist, dich dir selbst näher zu bringen. Vielleicht hast du das bislang noch nicht erkannt, doch die Angst ist dein wunderbarer Lehrmeister.

/ Fühle sie in deinem Körper

Wo sitzt die Angst in deinem Körper? Was verändert sich durch sie? Rollen sich vielleicht deine Schultern nach vorne? Machst du unbemerkt den Rücken krumm oder spannst den Bauch an? Lerne, deinen Körper wieder zu lesen und komme in Kontakt mit ihm. Er spiegelt dir Eins zu Eins, was gerade los ist. Entspanne deine Muskeln und deine Atmung und fühle die Angst ganz bewusst. Das ist etwas, wofür wir uns selten Zeit nehmen im hektischen Alltag. Dabei ist es ist wichtiger Schlüssel. Identifiziere dich nicht mit deiner Angst. Denn du bist weder dein Körper, noch deine Angst. Du bist lediglich das Bewusstsein, was beides völlig neutral wahrnehmen kann.

/ Formuliere sie um

Wenn du es nicht gewohnt bist, mit der Angst zu arbeiten, entstehen schnell negative Gedanken in Bezug auf sie. Nimm auch den Tonfall wahr, mit dem du über dich selbst oder mit deiner Angst sprichst. Nimm all deine Gedanken wahr. Greife dann den Gedanken heraus, der am häufigsten auftaucht. Und hänge dann ein „das finde ich super“ hinten dran. Dein neuer innerer Dialog könnte also sein: „Ich habe Angst abgewiesen zu werden, das finde ich super„. So hat der Satz eine völlig andere – und viel positivere – Energie. Beobachtest du dich auch hier weiterhin aufmerksam, wirst du feststellen, dass du auch innerlich lockerer wirst und sich dein Körper anders anfühlt.

Keine Angst vor der Angst

Nun hast du einen Fahrplan für den Umgang mit deiner Angst erhalten. Denn es kostet viel zu viel Kraft gegen sie anzukämpfen und zu versuchen, die Angst zu besiegen. Je näher du dir selbst kommst, desto freier, leichter und fröhlicher wirst du dich fühlen und desto mehr wirst du dir selbst vertrauen. Lohnt sich, es mal auszuprobieren – oder?

Hier findest du 7 Prinzipien die dir dabei helfen, dein Potential zu leben oder meine 20 Fragen für mehr Klarheit. Lese meinen Leitfaden für eine innere Inventur, meine 30 Zutaten für ein schöneres Selbst oder wie ich Freundschaft mit meiner Angst schloss.

Wie gehst du mit deiner Angst um? Integrieren oder Ignorieren?

Foto: Niv Singer

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