Warum es sich lohnt, langsamer durchs Leben zu gehen

Langsamkeit zu lernen, ist gar nicht so leicht. Denn wir sind es gewohnt, durchs Leben zu hetzen. Doch das Innehalten ist ein wichtiger Schlüssel für mehr Gelassenheit…

Entschleunigen auf Sardinien, was macht das mit mir? Solltest du meine Einleitung zu diesem etwas anderen, vierteiligen Sardinien-Reisebericht verpasst haben, kannst du in meinem Artikel 6 Monate entschleunigen auf Sardinien nachlesen, auf welches Experiment mein Mann und ich uns eingelassen haben…

Die Entdeckung der Langsamkeit

Links… rechts… links… Ich beobachte einen kleinen Käfer. Er lässt sich sehr viel Zeit beim Krabbeln. Ich beneide ihn ein wenig. Und wünschte, ich könnte auch so einfach mein Tempo reduzieren. Doch meine Gedanken produzieren zusammenhanglosen Scheiß. Es fällt mir schwer, wirklich loszulassen und mich hinzugeben.

 

Schildkröten können dir mehr über den Weg erzählen, als Hasen. 
(aus China)

 

Auf Sardinien wollte ich mehr sein und weniger tun. Schöner Gedanke, doch nach der vierten Woche zeigte mir mein Ego den Mittelfinger. Es wollte messbare Ergebnisse. Ich merkte, wie schwer es mir fiel mich auf die neue Langsamkeit – ohne Ergebnisse – einzulassen. Meinen Gedanken freien Lauf zu lassen, ohne Richtung oder Ziel.

Denn genau deswegen hatten wir diese Reise angetreten: Wir wollten ein paar Gänge runter schalten. Das klingt übrigens super in der Theorie. In der Praxis jedoch, traf ich auf einen alten Freund: mein schlechtes Gewissen. Heute teile ich zwei weitere Erkenntnisse dieser besonderen Reise:

 

/ Langsamkeit

Natürlich hätte ich ein dutzend Ausflüge machen können. Aber ich wollte die Eintönigkeit bewusst spüren. Ich bin ein schneller Mensch. Und Hochsensibel: Das ist ein riesiges Geschenk. Doch je schneller ich unterwegs bin, desto schneller ist auch mein Filter im Kopf voll. Daher übte ich mich auf Sardinien in Langsamkeit und darin, weniger zu tun.

Steffi 1.0 war ein Multitasking-Talent. Doch in den letzten Jahren – und verstärkt nochmal auf Sardinien – habe ich viele Momente ganz präsent verbracht: Zum Beispiel, indem ich stundenlang diesen kleinen Käfer beobachtet habe. Oder die Wolken, die vorüberziehen. Oft hörte ich auch einfach nur dem Wind zu.

Durch dieses vollkommene Präsent sein, werden meine Gedanken still. Meine Energie wird angehoben und alle Sinne geschärft: Es fällt mir leicht, eine neutrale Beobachterposition einzunehmen. Im Zen-Buddhismus nennt man diesen Zustand auch den Anfängergeist.

Das ist eine Haltung der Neugierde. Und der Bereitschaft, sich für die Erfahrung zu öffnen und sich von ihr führen zu lassen. Diese Unvoreingenommenheit ist frei von Bewertung. So entdeckt man auch in bekannten Situationen immer wieder Neues. Ganz wichtig: In diesem Zustand haben die Herausforderungen des Alltags keinen Zutritt.

Auch nach der Reise habe ich diesen Zustand beibehalten. Natürlich nicht immer. Aber immer öfter. Das wirkt sich übrigens auch auf Gespräche aus: Ich nehme mich mehr zurück und bin auch hier eher der Beobachter. Ich verspüre keinen Drang mehr, meine Meinung kundzutun. Stattdessen höre ich aktiv zu oder stelle Fragen. Auch das ist für mich eine Form der Langsamkeit.

Steffi 2.0 macht nur noch eine Sache zurzeit. Meist zumindest. Das macht mich sehr stolz. Denn lange Zeit habe ich nicht erkannt, welche enorme Qualität in der Langsamkeit verborgen liegt. Mittlerweile genieße ich es, Dinge ganz bewusst und mit Hingabe zu tun. Ich habe gelernt, die Kontrolle loszulassen. Mein schlechtes Gewissen ist viel weniger geworden. Ab und zu schaut es zwar noch um die Ecke, aber ich akzeptiere, dass es da ist und lasse es einfach durch mich hindurchfließen.

Aber das Wichtigste: Ich verurteile mich in den meisten Fällen nicht mehr dafür, langsamer durchs Leben zu gehen. Während des Tages halte ich nun viel öfter inne und lenke meine Aufmerksamkeit bewusst von außen nach innen und auf meinen Atem.

Auch die Natur brauche ich seit der Reise mehr denn je. Ihre beruhigende und heilende Wirkung nehme ich noch intensiver wahr. Die Art meiner Spaziergänge hat sich verändert. Ich gehe nicht einfach nur durch die Gegend: Ich erspüre die Natur mit all meinen Sinnen. Dann rieche ich an einer Blume. Oder fühle die Rinde eines Baumes. Ich schaue in alle Richtungen oder laufe Barfuß über den Waldboden. Ich bin langsamer – dafür intensiver – geworden.

 

/ Kompass

Heute sind meine Gefühle und mein Grad der Freude mein innerer Kompass. Das war nicht immer so. Denn früher war ich viel im Kopf unterwegs. Doch mittlerweile ist mein Weg der, der sich stimmig für mein Herz anfühlt. Und der, hinter dem ich zu Hundertprozent stehe. Um meine Gefühle im Alltag auch wahrzunehmen, helfen mir übrigens oben erwähnte Langsamkeit und Stille.

Auf Sardinien habe ich also fünf Hauptgefühle für mich festgelegt. Sie sind mein innerer Anker und stehen dafür, wie ich mich im Laufe des Jahres fühlen möchte. Dazu bin ich alle Bereiche meines Lebens durchgegangen und habe Gefühle auf unterschiedliche Zettel geschrieben.

Im zweiten Schritt habe ich diese Begriffe soweit runter gekürzt, dass wirklich nur die übrigbleiben, die etwas in mir auslösen. Meine persönlichen fünf Hauptgefühle sind also:

  • Liebe
  • Freiheit
  • Freude
  • Leichtigkeit
  • Verbindung

Das Ziel ist es, alles was ich tue auf diese Leitgefühle auszurichten. Und sie als inneren Kompass zu verstehen. Seit der Reise habe ich eine noch bessere Verbindung zu meinem Körper: Ich spüre schnell was er gerade braucht, oder wann ich nicht in Einklang mit meinen Leitgefühlen handle.

Ich übe noch, aber es klappt schon ganz gut. Sobald ich Stress habe, verliere ich die Verbindung zu mir selbst. Das kommt allerdings nicht mehr häufig vor. Und wenn, ist es eine ganz bewusste Entscheidung die endlich ist.

Seit Sardinien klopfe ich auch meine Entscheidungen noch verstärkter auf diese fünf wegweisenden Gefühle ab. Ich frage mich dann: „Bringt mich diese Entscheidung näher an meine Leitgefühle heran?“ oder „Unterstützt diese Entscheidung mich dabei, mich auf dem Weg zum Ziel so zu fühlen?“. Das ist ein völlig anderer Ansatz, als ich ihn früher hatte. Das Resultat: Noch mehr Gelassenheit.

Die Wichtigkeit der Gefühle hat meine gesamte Betrachtungsweise auf das Leben noch einmal auf einem tieferen Level geschärft. Ohne Gefühle keine Heilung. Ohne Gefühle keine Transformation.

Neue Horizonte

Es macht überhaupt keinen Sinn, durchs Leben zu hetzen. Denn es geht so viel auf dem Weg verloren. Eine Reise bietet Abstand von Zuhause. Das hilft, um mit einem neuen Blick auf dich und dein Leben zu schauen. Dein Blickwinkel oder deine Fragestellungen können sich verändern. Und Gefühle die hochkommen integriert werden. Eins ist klar: Lässt du dich darauf ein, wirst du innerlich wachsen. Und als anderer Mensch von einer Reise wieder nach Hause zurückkehren…

 

Sardinien Reisebericht

Alle Folgen meines etwas anderen Sardinien Reiseberichts im Überblick:

Einleitung: 6 Monate entschleunigen auf Sardinien – ein Experiment
Erste Folge: Minimalismus und Intuition
Zweite Folge: Langsamkeit und Kompass
Dritte Folge: Glaubenssatz und Beziehung + Fazit

 

Eine Reise zu dir selbst – auch was für dich? Erzähle mir doch von deinen Erfahrungen in den Kommentaren. Und solltest du jemanden kennen, den das Thema auch interessieren könnte – ich würde mich riesig freuen, wenn du diesen Artikel teilst. Von Herz zu Herz.

Fotos: Stefanie Adam

 

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Langsamkeit lernen: federn

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